Interview Dr. Guido F. Herrmann

Was das Projekt DEAL für Verlagsprozesse

bedeutet
 
 
Interview mit Dr. Guido F. Herrmann

Vice President, Managing Director/Geschäftsführer
John Wiley & Sons

Das Digitale Jahrhundert verlangt auch den Wissenschaftsverlagen Anpassungsleistungen ab. Eine von diesen resultiert aus der Notwendigkeit, sich mit großen öffentlichen Bieterkonsortien zu einigen. Diese verlangen Beweglichkeit bei den Konditionen. Aber was bedeuten Konsortial-DEALs für die Verlagsprozesse?

Als erster Wissenschaftsverlag Deutschlands hat Wiley am 15. Januar 2019 einen Vertrag mit dem DEAL-Konsortium, den Wissenschaftsorganisationen und -Bibliotheken abgeschlossen. Konsorten können dadurch für zunächst drei Jahre „auf zehnmal so viele Zeitschriften von Wiley zugreifen“ wie bisher, wie etwa das Forschungszentrum Jülich bekanntgibt.

Ob der DEAL nun gut ist oder schlecht – er muss erfüllt werden. Was das für den Verlag bedeutet, erklärt Wileys Deutschland-Geschäftsführer Guido F. Herrmann in seinem Vortrag „Gemeinsam Veränderung gestalten: Wiley und die Zusammenarbeit mit Projekt DEAL“ auf der Digital-Konferenz für Verlage und Bibliotheken, die die Akademie der Deutschen Medien am 16. September 2019 im Münchner Literaturhaus veranstaltet.

Sie haben den DEAL-Vertrag mit den Max Planck Digital Library Services unterzeichnet. Die MPDL haben ein Pressefoto herausgegeben. Ihr Verhandlungspartner schaut glücklicher als Sie. Ist Wiley inzwischen zufrieden mit
dem DEAL?

Wiley und Projekt DEAL haben im Januar eine zukunftsorientierte Partnerschaft für Deutschland zur Erprobung neuer Publikationsmodelle geschlossen. Wiley und Projekt DEAL ist es gelungen, ein umfassendes Publish-and-Read-Agreement für Deutschland abzuschließen: Gegen eine jährliche Gebühr ermöglicht diese geschlossene Dreijahresvereinbarung allen Projekt DEAL-Institutionen den Zugang zu den wissenschaftlichen Journals von Wiley zurück bis ins Jahr 1997.
Konkret bedeutet dies: Alle ca. 700 berechtigten akademischen und wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland erhalten Zugriff auf alle Wiley-Journale. Weiterhin können die Forscher aus diesen berechtigten Einrichtungen in allen ca. 1600 Wiley-Journalen Open Access publizieren. Die Finanzierung erfolgt zentral durch Projekt DEAL. Die Administration erfolgt für die Autoren ohne zusätzlichen Aufwand, da die von Projekt DEAL beauftragte MPDL Services GmbH dies zentral übernimmt.
Diese Partnerschaft wird Institutionen und Forschern helfen, Open Science zu fördern, Entdeckungen zu machen sowie Wissen zu entwickeln und zu verbreiten. Wiley ist froh und stolz als Partner der Wissenschaft in Deutschland an diesen Zielen mitwirken zu dürfen.

Was bedeutet der DEAL konkret für einen Fachinformationsverlag Ihrer Größe?
Unser Ziel als Fachinformationsverlag ist es, uns an den Wünschen und Bedürfnissen unserer Kunden auszurichten. Wir möchten unsere Erfahrungen und Kompetenzen zum Nutzen der Wissenschaftler einbringen. In der Vereinbarung mit Projekt DEAL gelingt uns dies in hervorragender Art und Weise: Leser haben erweiterten Zugang zu wissenschaftlichen Informationen, Autoren können ohne finanzielle oder administrative Hürden Open Access publizieren. Um die allgemeine Förderung der wissenschaftlichen Forschung zu unterstützen, starten Wiley und Projekt DEAL weiterhin im Rahmen der Partnerschaft gemeinsam drei wichtige neue Initiativen.
Erstens ein neues Flaggschi unter den Open-Access-Journals: Diese interdisziplinäre Zeitschrift wird führende Wissenschaftserkenntnisse aus der globalen Forschungsgemeinschaft veröffentlichen und als einzigartiges Forum für die Entwicklung neuer Open-Access-Publikationsmodelle dienen.
Zweitens werden Wiley und Projekt DEAL eine Open-Science- und Autoren-Beratungsgruppe einrichten, die sich auf Innovation und die Beschleunigung neuer Publikationskonzepte konzentriert.
Drittens werden die Partner ein neues jährliches Symposium für deutsche Nachwuchswissenschaftler ins Leben rufen, das zukunftsweisende Ideen für die Forschungskommunikation erarbeiten soll.
Für Wiley bedeutet dieses Engagement für die Wissenschaft in Deutschland, dass wir noch stärker in Inhalte, Personen und Systeme investieren werden.

Der Deal legt nicht nur Ihren Verhandlungsspielraum mit akademischen Abnehmern fest. Er greift auch in Ihre Prozesse ein. Sie müssen zum Beispiel wissenschaftliches und Bibliothekspersonal massiv schulen im Umgang mit dem DEAL-„Ökosystem“. Was ändert sich für Wiley an den Prozessen konkret?
Um die Unterzeichnung des DEAL-Vertrags mit Wiley zu ermöglichen, hat die Max-Planck-Gesellschaft eigens die MPDL Services GmbH gegründet, die auch für die Vertragsabwicklung zuständig sein wird.
Die notwendige Infrastruktur und Prozesse für die erfolgreiche Administration werden in enger Abstimmung zwischen Wiley und der MPDL Services GmbH entwickelt. Seit Januar 2019 befinden wir uns in einer intensiven Projektarbeit mit Dutzenden Mitarbeitern auf Seiten beider Partner. Es freut uns, dass wir alle Milestones für das gemeinsame Projekt erreicht haben:
1. Die Freischaltung zum Lesezugriff erfolgte zeitnah und flächendeckend.
2. Ab Januar 2019 können die Autoren in allen Gold-Open-Access-Zeitschriften publizieren.
3. Ab Juli 2019 können die Autoren in allen Hybrid-Zeitschriften Open Access publizieren.
Wir sind zuversichtlich, gemeinsam mit unseren Partnern bei Projekt DEAL eine nachhaltige und skalierbare Lösung gefunden zu haben, um gemeinsam den Übergang von einem subskriptionsbasierten System hin zu Open Access zu gestalten. Wir freuen uns, gemeinsam mit Projekt DEAL unsere Prozesse für dieses Ziel und im Interesse unserer Autoren weiter zu optimieren.


Der DEAL ist ein komplexes Projekt für Wiley und die beteiligten Bibliotheken. Projektschwerpunkte:
1. Information aller 700 berechtigten Einrichtungen über die Vertragsinhalte
2. Freischaltung aller Einrichtungen für den Lesezugriff auf die Wiley Fachzeitschriften
3. Informationsveranstaltungen für Bibliothekare und Universitätsangehörige
4. Entwicklung eines angepassten Open Access Workflows für die Einreichung der Manuskripte
5. Entwicklung von Dashboards und Reporting für die Universitäten
6. Informationsmaterialien und Schulungen für Autoren


Medien-Erstellung, Medien- und Metadatendistribution, Leistungsabrechnung – bleibt bei diesen Prozessen unter DEAL-Auspizien alles beim Alten?
Grundlage sind natürlich die etablierten Prozesse, wie diese Standard in den wissenschaftlichen Verlagen sind. Dies gilt sowohl für die Publikationen als auch für die Metadaten und die Auslieferungsprozesse.
Die Anforderungen an die Metadaten und deren Granularität und Korrektheit steigen jedoch in einer reinen Open Access Welt signifikant: zum Beispiel muss jede publizierte Arbeit einem Autor aus einer berechtigten DEAL-Institution zugeordnet werden. Viele Arbeiten haben nun mehrere Autoren aus verschiedenen Institutionen, häufig auch aus mehreren Ländern. Wir arbeiten zur Zeit sehr intensiv mit unseren Partnern bei der Max-Planck-Gesellschaft daran, diese Prozesse zu automatisieren und die Datenqualität kontinuierlich zu verbessern...

Das ganze Interview können Sie auf buchreport.de lesen.

Das Interview wurde von Michael Lemster geführt.